Präimplantationsdiagnostik (PID)
Seit dem 1. September 2017 dürfen in der Schweiz Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib mittels PID auf schwere genetische Krankheiten untersucht werden. Das Institut für Medizinische Molekulargenetik der Universität Zürich (IMMG) ist eines der wenigen Institute der Schweiz, welches diese hochspezialisierte genetische Untersuchung anbietet und dazu auch über eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) verfügt.
Wann besteht ein Anspruch auf eine PID?
Laut Fortpflanzungsmedizingesetz (FmedG) müssen für eine PID folgende Kriterien erfüllt sein bzw. ist sie nur zulässig wenn:
- die Gefahr, dass sich ein Embryo mit einer vererbten Veranlagung für eine schwere Krankheit in der Gebärmutter einnistet, anders nicht abgewendet werden kann. Für die Beurteilung der Schwere der Krankheit werden Gesichtspunkte wie Schmerzen, Therapieresistenz, Beeinträchtigung des Alltags sowie Einschränkungen von Motorik, Kognition, Affektregulation, oder allgemeiner Bewegungsfreiheit berücksichtigt.
- es wahrscheinlich ist, dass die schwere Krankheit vor dem 50. Lebensjahr ausbrechen wird.
- keine wirksame und zweckmässige Therapie zur Bekämpfung der schweren Krankheit zur Verfügung steht.
- das Paar gegenüber der Ärztin oder dem Arzt schriftlich geltend macht, dass ihm die Gefahr nach Punkt 1. nicht zumutbar ist.
Zudem muss die Wahrscheinlichkeit, dass eine genetische Konstellation entsteht, die zu einer schweren Krankheit führt, mindestens 25% betragen (beide Partner mindestens Träger einer autosoml-rezessiven Erkrankung). Die Beurteilung im Einzelfall obliegt dem PID-Board, einer Fachgruppe bestehend aus Expertinnen und Experten auf den Gebieten der Reproduktionsmedizin und medizinischen Genetik.
Ablauf einer PID
Ist eine PID vom PID-Board genehmigt, sind in der Regel mehrere Institutionen an deren Durchführung beteiligt. In einem reproduktionsmedizinsichen Zentrum finden zuerst Fertilitätsabklärungen statt. Nach einer Hormonstimulation, welche das gleichzeitige Heranreifen und die Ovulation mehrerer Eizellen begünstigt, werden mehrere Eizellen entnommen und im Reagenzglas befruchtet (maximal 12). Nach ungeführ 4-5 Tagen hat der Embryo ein Stadium erreicht, in welchem eine Biospsie durchgeführt wird (siehe Abblidung 1). Dabei werden mit einer sehr feinen Glaspipette mehrere Zellen des Trophektoderms entnommen. Dieses Gewebe ist in der späteren Entwicklung des Foeten für die Bildung der Plazenta, aber nicht des Kindes selbst verantwortlich. Das Kind selbst geht aus der inneren Zellmasse hervor. Die biopsierten Zellen werden dem IMMG zur genetischen Analyse zugestellt. Währenddessen bleiben die befruchteten Embryonen in der Reproduktionsmedizin eingefroren.
Abb. 1: Entnahme einer Trophektodermbiopsie an Tag 4-5 nach der Befruchtung. Mit einer feinen Glaspipette werden einige Trophektodermzellen entnommen und dem genetischen Labor zur Analyse geschickt.
Vorgägngig zu den genetischen Analysen laden wir jedes Paar zu einem Informationsgespräch ein, an welchem der Ablauf der genetischen Untersuchungen sowie deren Möglichkeiten und Limitationen besprochen werden. Zudem benötigen wir ein schriftliches Einverständnis des Paares zur Durchführung der genetischen Analysen. Sind die Biospien am IMMG angekommen, werden sie genetisch untersucht (siehe dazu nächster Abschnitt). Nach der abgeschlossenen Untersuchung berichten wir die Resultate an die Reproduktionsmedizin. Diese entscheidet schlussendlich im Einvernehmen mit dem Paar, welche Embryonen aufgetaut und in die Gebärmutter eingepflanzt werden können. Bei einer erfolgreichen Schwangerschaft wird empfohlen, das Resultat der PID durch eine pränatale DNA-Untersuchung (Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasserpunktion) zu bestätigen.
Angebote unseres Instituts im Rahmen der PID
Das IMMG untersucht die Trophektodermbiopsien auf diejenige monogene genetische Veränderung (Mutation), welche die schwere Krankheit verursacht. Diese Untersuchung wird mit PGT-M abgekürzt (Preimplantation Genetic Testing – Monogenic disorder) und erfolgt mittels Karyomapping-Methode (Illumina). Dabei wird eine hohe Anzahl (300K) von Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) mittels SNP-Chip analysiert. Aus der Analyse der SNP-Haplotypen von untersuchten Embryonen, Eltern und weiteren Angehörigen (Referenzen) lassen sich mit der untersuchten Sequenzvariante gekoppelte Haplotypblöcke ermitteln. Auch Rekombinantionen, Trisomien, Monosomien und grössere Deletionen können bedingt erkannt werden (Handyside et al. 2010, J Med Genet.47:651-58). Abbildung 2 zeigt ein Beispiel einer solchen Haplotyp-Darstellung.
Abb. 2: Haploblock-Darstellung einer PGT-M-Analyse mittels Karyomapping bei einer autosomal-dominant vererbten Krankheit. Die genetischen Resultate der Trophektodermbiopsien werden mit denjenigen der Eltern sowie einer geeigneten Referenz verglichen (schon vorhandene Kinder des ratsuchenden Paares, Eltern des betroffenen Teils des ratsuchenden Paares). In diesem Fall wurde die DNA eines von der Krankheit betroffenen Kindes als Referenz verwendet. Das betroffene Allel ist somit rot, die nicht betroffenen Allele sind pink (maternales Allel) bzw. hell- und dunkelblau (paternale Allele) eingefärbt.
Zusätzlich zum PGT-M kann das ratsuchende Paar ein so genanntes Aneuploidie-Screening (PGT-A) beauftragen, bei welchem die chromosomale Ausstattung der Emrbyonen mittels VeriSeq PGS (Illumina) untersucht wird. Das Verfahren basiert auf einer quantifizierbaren Hochdurchsatzsequenzierung der DNA und ermöglicht die Detektion von beispielsweise einer Trisomie 13, 18, 21 oder einer Monosomie X. Zudem können auch partielle strukturelle Aberrationen (Deletionen/Duplikationen) sowie Mosaike detektiert werden. So soll sichergestellt werden, dass nur euploide Embryonen (Embryonen mit normalem Chromosomensatz) eingepflanzt werden. Abbildung 3 zeigt die eine grafische Darstellung (CNV-Chart) eines Aneuploidie-Screenings einer weiblichen Person mit Trisomie 21. Balancierte Chromosomenanomalien, wie etwa balancierte Translokationen, können damit nicht erkannt werden.
Abb. 3: CNV-Chart beim Aneuploidie-Screening einer weiblichen Person mit Trisomie 21. Die Abbildung zeigt erhöhgte Signale (3 Kopien) bei Chromosom 21. Alle anderen Chromosomen (ausser Y-Chromosom) zeigen eine Signalstärke, welche zwei Kopien entspricht. Wird eine solche Analyse an Trophektodermbiopsien durchgeführt, spricht man von PGT-A (= Preimplantation Genetic Testing – Aneuploidy).
Vor- und Nachteile von genetischen Untersuchungen an Trophektodermbiopsien menschlicher Embryonen
Seit dem 1. September 2017 dürfen in der Schweiz genetische Untersuchungen an menschlichen Embryonen durchgeführt werden. Diese haben im Gegensatz zu der vorher erlaubten Polkörperdiagnostik (PKD) folgende Vorteile: 1) Es können nicht nur die mütterlichen, sondern auch die väterlichen Krankheitsanlagen diagnostiziert werden; und 2) es handelt sich um eine direktere Diagnostik, da bei der PKD nicht das genetische Material der Eizelle, sondern dasjenige der Polkörper untersucht wird, welche von der Eizelle ausgeschieden werden. Als Nachteil der Methode bleibt zu nennen, dass nicht die Zellen der inneren Zellmasse selbst (aus diesen entwickelt sich das spätere Kind), sondern die Trophoblastzellen analysiert werden, welche die Plazenta ausbilden.